Junior High

 












Am Wochenende habe ich gemeinsam mit fünf Schwestern eine katholische Familienkonferenz mit dem Namen "Fullness of Truth" besucht. Glücklicherweise haben wir uns um das Kinderprogramm gekümmert, von der Konferenz selbst habe ich nichts mitbekommen, nur haben wir abends eine Gruppe Spidermen getroffen. Außerdem habe ich diesen amüsanten Mutter-Gottes-Stiftehalter entdeckt. Am Sonntag saß ich hauptsächlich lesend am Pool, um mich zu erholen. Das Programm am Samstag hatte es durchaus in sich: Etwa 80 Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren hielten wir von 9 bis 18 Uhr mit Spielen, Tänzen und Lernvideos beschäftigt. 

Aber ich halte noch ganz andere Kinder beschäftigt. Nämlich die 7. Klasse der St. John Bosco School, die sich gegenüber des Provinzhauses, in dem ich wohne, befindet und die den Schwestern gehört. Das kam so: Der Lehrermangel ist hier mindestens so schlimm wie in Ostdeutschland (an dieser Stelle kurze Werbung für den anderen Blog, an dem ich beteiligt bin, Eastplaining), wenn nicht sogar noch schlimmer. Denn Leute können sehr spontan kündigen, und einige haben das anscheinend in der Woche vor Schulbeginn getan. Deshalb suchte die Schulleitung händeringend nach Mathelehrer*innen für die 5. Klasse und die Junior High - also 6., 7. und 8. Klasse. Die 5. Klasse hat der Sportlehrer übernommen (warum auch immer, er ist übrigens der Einzige, der nicht in Uniform rumlaufen muss, aber dazu später), die 6. und 8. je eine bereits ausgelastete Schwester. Dann blieb noch die 7. Klasse - und man kam zu der glorreichen Erkenntnis, dass ich mit meinem Bachelorabschluss hier tatsächlich Mathe unterrichten darf. Und ich habe zugestimmt, obwohl ich nun wirklich keine Lehrerin sein möchte, aber für ein paar Wochen kann ich das schon durchziehen. Deshalb bin ich jetzt Mathelehrerin in der 7. Klasse. 

Letzte Woche war ich drei Tage lang jeweils für 15 Minuten da, weil die in der ersten Woche so ein Rotationssystem implementieren, das den Unterricht von 8 Einheiten mit 40 Minuten auf 8 Einheiten mit 15 Minuten verkürzt. So konnte ich immerhin schonmal die Klasse - es sind nur 15 Kinder - kennenlernen und ihr Wissen überprüfen. Tja, wie formuliere ich das jetzt vorsichtig? Die Kombination aus US-amerikanischem Schulsystem und zwei Jahren Corona hat dem Wissensstand der Kinder nicht gerade gutgetan. Wir werden unser Bestes geben, um das ein stückweit aufzuholen. Ich unterrichte sie jeden Tag für 40 Minuten, bis ich nach Deutschland fliege, also mal schauen. 

Wie ist es denn nun in einer Junior High in den USA? Die Kinder sind ganz nett. Eine typische 7. Klasse in einem Limbo zwischen Kindheit und Pubertät, aber die Hormone haben zum Glück noch nicht überhand genommen. Das wird zweifelsohne noch dieses Jahr passieren, aber dann haben sie hoffentlich eine richtige Lehrkraft gefunden. Ich habe ein paar Bilder von der Schule angehängt. Ein bisschen verstört hat mich das Waffen-verboten-Schild...oder eher der Fakt, dass das hier notwendig ist. Die Türen in den Klassenzimmern sind übrigens durchsichtig und können ohne Schlüssel nur von innen geöffnet werden, und letztes Woche hatten die Kinder einen Amoklauf-Probealarm. Außerdem spielen Kleidung und Frisur eine sehr große Rolle. Letzte Woche hatte ich eine Lehrkraftkonferenz und es wurde exzessiv ausgelegt, was erlaubt ist und was nicht - und zwar nicht nur bei Schüler*innen, sondern auch bei Lehrkräften. Jetzt laufe ich also jeden Tag in schwarzer langer Kleidung und mit hochgesteckten Haaren bei 44°C die 500m zur Schule und erfreue mich der Sonne. Das Angebot, die Strecke mit dem Auto zu fahren (kein Scherz, das ist hier Gang und gäbe) habe ich nämlich dankend abgelehnt. Die Begeisterung über Temperatur und Outfit kann man dennoch meinem Blick entnehmen.

Ich muss sagen, dass mich der niedrige Wissensstand schon ziemlich erschreckt und überrascht hat. Aber mal schauen, was daraus wird! Übrigens bin ich schon seit vier Wochen hier und hab bisher mit niemandem über Politik geredet. 

Bis bald, 

Weronika

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