Der Alltag
Nun bin ich schon seit drei Wochen hier. Nach anfänglichen mehr oder weniger amüsanten, unvorhergesehenen Ereignissen war die letzte Woche tatsächlich sehr entspannt von regulärer Arbeit gekennzeichnet. Jeden Tag nach dem Gottesdienst und dem Frühstück gehe ich ins Büro, setze mich an meinen Schreibtisch, werde dabei von dem kleinen 3D-gedruckten Kaktus beobachtet, den ich geschenkt bekommen habe, und arbeite bis zum Mittagessen, danach geht's bis zum Abendessen weiter. Anschließend haben wir unsere gemeinsame Abendfreizeit (meistens Kartenspiele, ich habe besonders das wunderbare Spiel "Unstable Unicorn" für mich entdeckt. Aber zurück zur Arbeit.) Den Anfang der letzten Woche habe ich mit Recherche verbracht. Ich suchte nach Stiftungen, die willig sind, Geld für die unterschiedlichen Projekte zu spenden, an denen die Schwestern hier beteiligt sind. Dazu zählen Schulen, Betreuungsprojekte, Ausflüge, Sommercamps, Exerzitienangebote, geistliche Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, das Altenheim der Schwestern im Haus und noch viele weitere kleinere und größere Unternehmungen. Die meiste Arbeit widmet sich Kindern und Jugendlichen, oft aus benachteiligten Verhältnissen, Frauen in Risikosituationen und der ärmeren Bevölkerung in der Umgebung. Dafür werden Beträge zwischen $5,000 und $100,000 gesucht. Anfangs musste ich erstmal mit der etwas verwirrenden Stiftungs-Datenbank klarkommen, und dann entsprechend filtern, was überhaupt relevant ist und was nicht. Manche Stiftungen geben zum Beispiel kein Geld an religiöse Institutionen, andere haben ein klar abgestecktes geografisches Gebiet, wieder andere spenden nur für erzkatholische Projekte mit Missionsanliegen. Aber an sich sind viele dieser Stiftungen einander sehr ähnlich. Hier ein Prototyp:
Ein altes, weißes Ehepaar, bereits verstorben, hat sich zur Lebzeiten den Reichtum (natürlich selbst, ohne jegliche Unterstützung) erarbeitet und wünscht nun, diesen an gute, christliche Projekte weiterzugeben, die an der Erziehung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen, an Obdachlosen, an Gesundheitsforschung oder an Charakterbildung interessiert sind. Geschmückt wird dies mit einem illustren Zitat wie "Wir möchten unseren Segen mit anderen teilen, es fühlt sich einfach richtig an!" oder "Das Leben ist wie ein Eichenbaum. Es wäre schade, wenn es nicht gelebt wird." (Ja, das verstehe ich auch nicht so ganz.)
Sicherlich fühlt es sich auch einfach richtig an, seine Millionen in einer Stiftung zu investieren, wo man keine Steuern dafür zahlen muss. Aber gut. Ich beschwere mich nicht zu sehr, denn immerhin geben diese Leute uns tatsächlich Geld, und das wird dringend benötigt.
Das System in den USA...ganz ehrlich...dafür, dass oft so getan wird (oft ja von den Leuten selbst), als wäre dies das beste Land der Welt, funktioniert vieles nicht ganz so toll. Zum Beispiel das Schulsystem, in dem gefühlt jeder Atemzug Geld kostet. Auch an den staatlichen Schulen. In den privaten Schulen wird sicherlich noch mehr Geld verlangt - Standard sind so $1,500 im Monat pro Kind - und ich bin mir nicht sicher, ob die wirklich immer besser sind. Außerdem finde ich es auch schockierend, wie viel Geld wir bei privaten Stiftungen für die Pflege der älteren Schwestern beantragen müssen. Aber dass die Krankenversicherungen in den USA nicht das gelbe vom Ei sind, ist ja bekannt. Trotzdem, wenn ich diese Anträge schreibe und sehe, für welche lebensrelevanten Dinge, die ich noch nie hinterfragt habe, aktiv um Geld bitten muss, finde ich es wirklich schwierig. Seit letzter Woche schreibe ich nämlich jeden Tag Anträge, weil in die nächste Zeit sehr viele Abgabetermine fallen. Eine hohe Kunst, gleichzeitig geldbedürftig und vertrauenswürdig zu wirken. Manche Anträge wurden letztes Jahr abgelehnt, da schaue ich dann, was man daran verbessern könnte oder ob wir uns lieber mit einem anderen Projekt bewerben sollten.
Auf alle Fälle bekomme ich hier gute Einblicke ins Geldeintreiben. Und ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass mehr Geld fließt und sinnvoll eingesetzt werden kann.
So. Beim nächsten Mal erzähle ich, wieso ich außerdem auf Sonderkurs plötzlich in der 7. Klasse Mathe an der hiesigen Schule unterrichte.
Bis denne,
Weronika
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